Angstschweiß…

Es ist Zeit zum Feiern… und damit meine ich nicht, zu Hause zu sitzen, mit der Familie und dabei einen Schluck Wein zu trinken, während die anderen an ihrem Tee schlürfen oder der Partner mal den gesamten Abend, also 2,5 Stunden, an einem Glas Rum nippt…nein, so richtig feiern gehen…das, was mir das letzte Mal vor Corona vergönnt war…das letzte Mal im November 2019… unter fremde Menschen gehen…viele fremde Menschen…eng an eng…tanzen und trinken… ich habe mich so danach gesehnt…und ich habe so eine Angst davor…erst in zwei Wochen ist es soweit, doch schon jetzt wird mir bei dem Gedanken daran eiskalt. Ich zittere am gesamten Körper und bekomme kaum Luft. Überall zwickt es. Ich spüre, wie die Tränen hinter meinen Augen aufsteigen… feiern gehen… schon früher hatte ich Angst vor diesem Zeitpunkt, inmitten der Menschen zu gehen, Blicke zu erhaschen oder auch unsichtbar zu sein…beide Extreme waren unangenehm, aber die Freude überwog. Jetzt trifft mich die reine Panik und übermannt die Sehnsucht. Ich weiß, dass da in mir drin diese unbändige Lust danach ist, endlich wieder auf einer Tanzfläche zu tanzen, die Augen zu schließen und die ohrenbetäubende Musik in mich dringen zu lassen, alle Gefühle hervorzuholen, sie aus mir herauszuholen, bis ich ganz leer bin und nur noch der Rhythmus mich leitet… und ich weiß, dass die Reue, es sein zu lassen, so hoch wäre… aber im hier und jetzt, in diesem Moment, übermannt mich diese Angst, wie ich sie sonst nur hatte, wenn es um berufliche Möglichkeiten ging oder im Zusammensein mit nicht so nahen Menschen von Auge zu Auge, im direkten Kontakt…was ist passiert, dass diese Angst, diese Panik, mich so enorm eingenommen hat? Wann ist das passiert? Und was soll ich bitteschön jetzt tun…?

Wohl-Stand…

Wohlstand erlangen, erhalten und ausbauen, Angst vor Wohlstandsverlust, Wohlstandsgesellschaft, Wohlstand….

Füreinander da sein, der eine für den anderen, einstehen füreinander, der eine der es kann für den anderen der es nicht kann, für andere da sein wollen, anderen ermöglichen, dass es ihnen besser geht, wenn sie nicht selbst dafür sorgen können oder auch nicht wollen können und man selbst es kann… kannst du? Oder willst du nicht können, weil du eigentlich genug hast, aber Angst hast, es zu verlieren? Hast du Angst, vor deinem Wohlstandsverlust? Hast du hart dafür gekämpft, dass du da bist, wo du jetzt bist? Und hättest du dir damals gewünscht, jemand ist da, der dir dabei hilft, damit es einfacher wird? Oder war es einfach für dich, weil jemand da war, der dich da hin gebracht hat? Oder warst du sogar von Anfang an schon da?

Und was, wenn du noch unten wärst? Was, wenn du plötzlich runterfielst? Oder kann dir das nicht passieren? Oder hast du Angst, dir könnte es jemand nehmen, dem es schlechter geht als dir? Könntest du auf gleicher Stufe stehen mit jenen, die da unten sind? Auf gleicher Ebene? Doch was wird dann aus deinem Wohlstand?…aus deinem 3. Flug im Jahr? Deinem 4. Urlaub? Deinem 3. Auto und 2. Motorrad? Was wird aus deinem Haus mit Garten, inklusive dem Pool und dem riesigen Trampolin? Nicht auszudenken, du müsstest teilen… mit denen da unten… den Schmarotzern, mit den Kindern, die sich ausgesucht haben, dort zu sein, wo sie hingekommen sind, nachdem ihre Eltern schon dort sein wollten, wo sie jetzt sind, weil deren Eltern………

Sozialstaat… einer für alle, alle für einen….

an etwas Glauben…

Irgendetwas…

„Menschen…das Böse daran ist das Dumme darin…“ (Quelle: Autor unbekannt).

Vom Gehalten werden…

Du streckst sie aus, deine Hand… deine kleinen Finger suchen nach dem, was sie eben noch gehalten haben, kurz bevor sich deine Augen schlossen. Sie greifen ins Leere, immer wieder… und je mehr sie nur die Luft erhaschen, streckst du deine Ärmchen weiter und weiter von dir weg, bis sie länger nicht mehr werden können. Dein Atem geht schneller, mit jedem weiteren Versuch, ein kleines bisschen Halt zu finden… Sicherheit, Schutz, Geborgenheit…da ist nichts… und kurz bevor du begreifst, drehst du mit letzter Hoffnung deinen gesamten kleinen Körper, denn du hättest schwören können, einen anderen Atem als den deinen zu spüren…doch jetzt… da ist nur noch kalte Luft… Geister, die verschwinden, wenn deine Hände sie berühren…es ist dunkel…es ist längst schon Nacht… und du verstehst nicht, was geschehen ist. Was tun? Warten?…Warten… auf das was, kommt… auf das, was nicht mehr da ist… auf das, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, dass es da ist, sobald der erste Atemzug vollzogen wurde… Sicherheit, Liebe, Halt, Geborgenheit… ein Miteinander, ein Beieinander, ein Wir… Warten….Warten? Nein… ein Schrei…laut und schrill und voller Angst ruft mich zu dir… ruft meine Hand zu deiner… erfassen meine Finger deine… halten dich… halten uns… aneinander… ich bin da… du bist da… Miteinander…Beieinander sein… wenn der eine den anderen braucht, egal wie dunkel es scheint…

…und sollte es so nicht eigentlich immer sein?

Die Welt geht vor die Hunde…ich geh einfach mit ihr mit…

Die Bilder zeigen lachende Gesichter in unbeschwerten Momenten, die im Hintergrund gar nicht so friedfertig waren. In Wahrheit verstecken sich unendliche Tränen und negative Gefühle in dieser Zeit, in der ich offenbar kein Platz mehr habe. Woher kommt dieser tiefe Glaube, keine Funktion mehr zu erfüllen? Nichts ergibt mehr einen Sinn, nichts ist wirklich mehr für mich gedacht…eine Spielfigur auf einem Spielfeld, die sich nach dem bewegt, wie sich die anderen geben, aber ohne dabei irgendwie relevant zu sein. Ich scheine nur noch ein Schatten zu sein… fast schon ein Wunder, dass ich ein eigenes Spiegelbild besitze, irrelevant ob mir gefällt, was ich da betrachten kann.

Was wir einmal waren…

…das sind wir längst nicht mehr. Wir waren uns unglaublich nah, brauchten keine Worte, um uns zu verstehen… ein Blick reichte oder auch nur eine kurze Berührung. Eigentlich wussten wir immer, was der andere dachte.

Jetzt sehe ich dich an und erkenne keine deiner Gedanken mehr. Als hättest du dein Buch geschlossen, abgesperrt mit etlichen Schlössern, damit ich keinen Blick hineinwerfen kann. Und im Gegenzug lasse ich meine offenen Seiten leer… eigentlich wollte ich nur, dass du fragst… doch du schweigst mich an.

Ich beobachte dich in Interaktion mit anderen und erkenne den Menschen, wie ich ihn kennenlernte… offen, charismatisch, mit viel Humor… du nimmst dich selber nicht so ernst, aber die Dinge um dich herum schon und insgeheim hinterfragst du so viel. Du lässt den Leuten ihre Meinung, weil du keine Lust auf Diskussionen hast, aber im Inneren verurteilst du ihr Tun, wenn es in deinen Augen schadhaft ist. Du nimmst dich selbst als zurückhaltend wahr, dabei strahlst du einfach nur Ruhe aus, die interpretiert wird als „cooler Typ“. Du bist leicht und lässig. Es kommt nicht darauf an, was andere von dir denken… hat es dich jemals wirklich interessiert, was ich von dir halte? Interessiert es dich heute noch?

Es tut unheimlich weh zu wissen, dass wir uns verloren haben… sind wir doch eine Familie, die gerade wächst. Wir sind Partner, aber auf anderer Ebene. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und schweigen uns darüber aus, dass wir nicht mehr wir sind. Das gehört sich eben so… und in Anbetracht der Umstände weiß ich, dass ich es nicht anders schaffen würde. Ein ich gäbe es ohne dich nicht… auch wenn ich schon lange nicht mehr da bin… du hast viele Möglichkeiten um dich herum, deren du dir gar nicht bewusst bist. Ich würde abstürzen ohne dich, während du dein Netz um dich gesponnen hältst… es ist unsichtbar für dich… aber ich kann es deutlich sehen, denn ich stehe daneben und sehe dabei zu, wie ich durch alle Lücken falle, währenddessen du noch oben gehalten wirst…

Was bleibt ist die Traurigkeit über das, was wir mal waren und die Wut darüber, dass kein Weg mehr zu dir führt….

Unzureichend…

was für ein Wort… „unzureichend“… eigentlich klingt es gar nicht wie etwas, das auf irgend einen Menschen zutreffen könnte. Kann jemand „unzureichend“ sein? Nicht ausreichend zu sein, bedeutet doch, für nichts gebraucht zu werden, nichts zu schaffen…nichts… ein Nichts sein… das klingt unglaublich hart. Und würde mir jemand sagen, er sei „unzureichend“, würde ich ihm nicht glauben, versuchen ihm zu vermitteln, dass jeder einen Wert besitzt, für etwas da ist… doch ich sitze hier allein mit meinen Gedanken, die ich mit niemanden teilen kann. All diese Vertrauensverhältnisse, die ich irgendwann tatsächlich mal besessen habe, auch wenn es nie viele waren, scheinen sich in Luft aufgelöst zu haben. Ich bin unsichtbar geworden… mein wirkliches Ich… diese Person, die da eigentlich in mir steckt…dieser Geist mit seinen Ideen und Werten, dieses Herz mit all seiner Empathie und Wärme… ich spiele nur noch Rollen, von denen ich glaube, sie werden erwartet. Ihre Erfüllung gelingt mal mehr, mal weniger gut. Mutter, Partnerin, Tochter, Schwester… wenn ich spreche, ist es belanglos, oberflächlich, ohne Nutzen… alles nach außen hin ist abgestumpft…. ich rede nicht mehr über Probleme, Ängste, Sorgen… maximal reiße ich sie an, damit sie dann sowieso wieder in Vergessenheit geraten. Es ist anstrengend zu reden…Worte zu finden… dabei habe ich früher so gern mit ihnen gespielt. Aber wer sollte jetzt auch schon noch zu hören…?

Vom Sehnen…

Da war sie nun also, die Musik, die von meiner Erinnerung spricht, gespielt von einem Menschen, der nicht in diese Zeit  hineingehört…

… wir kannten uns nicht.. zumindest nicht so… und er wird anderes damit verbinden als ich… und vielleicht erfüllen ihn seine eigenen Erinnerungen genauso mit Schmerz, wie die meinen mich… wer kennt schon das innere seines Gegenübers?

Ich wäre gern wieder dort bevor das hier begann, auch wenn vor der Verantwortung alles so unsinnig erschien. Ohne Sinn kann einem nichts genommen werden… und mit das wichtigste, das es wohl gibt…

… FREIHEIT…

Du lässt…

…mich nicht mehr atmen, nimmst mir die Luft aus den Lungen, mit deiner bloßen Nicht-Anwesendheit…

…mich nicht mehr genießen, was ich hab, nimmst mir jegliches Vertrauen in andere Gefühle, weil du nicht mehr in meiner Nähe bist…

…die Welt für mich versinken, verschwinden hinter Erinnerungen, in denen ich mein Leben hineinsehne…

…mich nicht mehr sein…

Sturm…

Was würdest du sagen,wenn ich dir gestehe, dass du mir manchmal fehlst… vielleicht auch etwas mehr als manchmal… ganz besonders dann, wenn die Musik läuft, die von dir spricht…

Ich weiß, das geht vorbei… irgendwann…irgendwie… zieht davon, wie die Wolken mit dem Sturm…

…doch so lange er wütet, kann er zerstören, so viel er will…

…die Kluft zwischen mir…

Leben wir auf verschiedene Ebenen? Wenn wir morgen erwachen, sind wir woanders schon längst tot?

Und hab ich irgendwo anders weniger Angst als hier und jetzt? Und wenn dem so ist, bitte führe mich dort hin, wo ich mich selbst wiedererkenne…

…denn in diesem Moment, weiß ich nicht, wer ich bin und sehne mich doch so sehr danach…